Wolfgang Zinth
Vor etwa 3 Milliarden Jahren hat die Natur mit der
Entwicklung der Photosynthese die Sonneneinstrahlung
als optimale regenerative Energiequelle erschlossen, ohne
die höheres Leben auf der Erde nicht denkbar wäre. Diese
Photosynthese ist ein überaus komplexer Vorgang, der seit
dem Beginn der Neuzeit Wissenschaftler in seinen Bann gezogen
hat. Seine Funktionsprinzipien auf atomarer Ebene wurden aber
erst in den letzten Jahren erklärt. Photosynthese kann als
Musterbeispiel für das synergetische Zusammenwirken moderner
Naturwissenschaften dienen. Von der Biologie wurden die komplexen
photosynthetischen Reaktionssysteme aufgetrennt, die größeren
Funktionseinheiten identifiziert und in den verschiedensten
Formen präpariert. Durch das Zusammenwirken von Chemie und
Physik wurden dann Struktur und Funktionsprinzipien der
Einzelkomponenten auf atomarer Ebene verständlich. Dieses
Wissen läßt sich nun für innovative Anwendungen im technischen
Bereich umsetzen. Die Physik liefert dazu die hochpräzisen Meß-
und Beschreibungsmethoden, wobei die Komplexität der biologischen
Materie die kontinuierliche Weiterentwicklung der physikalischen
Verfahren erfordert.
Ein molekulares Solar-Kraftwerk
Photosynthese wird von den unterschiedlichsten Organismen
betrieben. Dabei folgen diese - vom einzelligen Lebewesen
bis zum hundert Meter hohen Baum - sehr ähnlichen
Reaktionsprinzipien. Wir wollen hier die Photosynthese am
Beispiel bakterieller Systeme beschreiben (Abbildung 1). Die
verschiedenen Funktionseinheiten (biologische Maschinen) eines
photosynthetischen Solarkraftwerks sind in Membranen eingebaut,
die als zelluläre Isolatoren und Trennwände die beteiligten
Arbeitsmittel und Reaktionsprodukte voneinander abgrenzen.
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Bild 1:
Schema der Membran eines photosynthetischen Bakteriums. Nach
Lichtabsorption in einer Antenne (gelb/grün) wird die
Anregungsenergie sehr schnell zum Reaktionszentrum (rot)
übertragen. Dort löst die Anregung einen Elektronentransport
aus, der in den ersten Schritten extrem schnelle Reaktionen
beinhaltet. Der Elektronentransport führt dann zu einem
Protonentransport über die Membran, der letztendlich zum Aufbau
des Energieträgers ATP (Adenosintriphosphat) verwendet wird.
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Den
ersten Schritt zur effizienten Solarenergienutzung bildet das
Lichtsammelsystem der Antennen (im Bild gelb/grün gezeichnet)
die wie eine Licht-Sammeloptik (Lupe) die Lichtenergie auf den
eigentlichen Energiekonvertor - das Reaktionszentrum -
konzentrieren. Dabei wird das Sonnenlicht zunächst von einzelnen
Farbstoffmolekülen eines Antennenrings absorbiert. Moderne
physikalische Methoden haben gezeigt, daß sich diese Anregung
extrem schnell über einen Ring verteilt. Durch die Weitergabe
über Nachbarringe gelangt die Anregung dann zum Reaktionszentrum.
Die spezielle räumliche Anordnung und der Typ der
Einzelfarbstoffe, sowie die Organisation der ringförmigen
Antenneneinheiten sichern die schnelle Weitergabe der
Anregungsenergie. Dadurch wird die auf den Organismus
auftreffende Lichtenergie mit hoher Effizienz der
Energiewandlung in den Reaktionszentren zugeführt. Im
Reaktionszentrum startet die
Anregung des primären Elektronen-Donors die eigentliche
Energiewandlung: war bis hierher die Energie immer in einem
einzelnen Molekül lokalisiert, so wird nun ein Elektron im
Reaktionszentrum verschoben und die Lichtenergie wie in einer
Batterie in einer Spannung gespeichert. Die Abfolge und das
Funktionsprinzip dieses wichtigsten Energiewandlungsprozesses
werden im folgenden detaillierter behandelt. Nach einer Serie
von Elektronentransportschritten erfolgt die Zwischenspeicherung
der Energie in einer chemischen Reaktion, die ein Hydrochinon
Molekül aufbaut. Mit dessen Hilfe werden dann in einem
biologischen Transformationsprozeß Protonen über die Membran
transportiert. Die unterschiedliche Konzentration der Protonen
auf den beiden Seiten der Membran dient dabei als treibende Kraft
für die Synthese des Energiespeichers ATP im Enzym ATPase. Die
Energie ist nun in der Form gespeichert, die für die
physiologischen Vorgänge der Zellen benötigt wird.
Ultraschnelle Reaktionen und Optimierung
Mit modernsten Methoden der Physik ist es in den letzten Jahren gelungen, die elementaren Reaktionseinheiten der Photosynthese, insbesondere das Reaktionszentrum zu verstehen. In bakteriellen Reaktionszentren gibt es Bakteriochlorophyll und verwandte Moleküle (Bakteriophäophytine), die als Lichtabsorber und Elektronenträger die Funktionseinheiten für die photosynthetische Energiewandlung bilden. Im Jahre 1985 gelang es einer Gruppe aus Chemikern und Physikern, die atomare Struktur der Reaktionszentren aufzuklären. Mit dieser bahnbrechenden Arbeit, im Jahre 1988 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet, wurde erstmals die räumliche Anordnung der Moleküle im Reaktionszentrum bekannt. Modernste Methoden der Ultrakurzzeitspektroskopie klärten dann den Ablauf der Reaktionen und zeigten die Funktionsprinzipien und die Optimierung der Reaktionszentren klar auf (Abbildung 2, links): Durch die Anregung des ursprünglichen Elektronen Donors, dem Paar (P) aus zwei Bakteriochlorophyll-Molekülen, über die Antenne
(oder direkt durch Licht) startet im Reaktionszentrum eine Abfolge von extrem schnellen Elektronentransfer Reaktionen: In einem ersten Schritt wird dabei ein Elektron in ca 3ps (ps ist die Abkürzungfür Pikosekunde, 1 ps = 0,000 000 000 001 Sekunden) vom primären Donor P an das benachbarte Bakteriochlorophyll B abgegeben, von wo aus es in einem zweiten, noch wesentlich schnelleren Sprung in 0.65ps (oder 650 fs, fs ist die Abkürzung für Femtosekunde) zum Bakteriophäophytin-Molekül weiterläuft. Diese Reaktion gehört zu den schnellsten in der Natur vorkommenden Elektronentransfer-Reaktionen. Die danach folgende Elektonentransferschritte führen das Elektron über das Chinon QA zum Chinon QB. Diese Schritte sind erheblich langsamer. Um sich der extrem kurzen Reaktionszeiten vorzustellen, kann man die Distanz, die Licht in einer bestimmten Zeit zurücklegt betrachten: In einer Sekunde kommt Licht ca. 300 000 km weit, dies entspricht knapp dem Abstand Erde Mond. In 650 fs kommt Licht gerade 0,2 mm weit!
Für die Untersuchungen der ersten Schritte sind optischen Methoden unter der Verwendung der kürzesten Lichtblitze eingesetzt worden. Die speziellen Bedingungen biologischer Proben erforderten hier umfangreiche technische Weiterentwicklungen, die ihrerseits neuartige Untersuchungen auf anderen Gebieten ermöglichten. So waren es Messungen an einem anderen photosynthetischen System, dem Bakteriorodopsin, die als erste das faszinierende Gebiet der Femtochemie eröffnet haben, das 1999 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet wurde.
Der Einsatz der verschiedenen physikalischen Techniken auf speziell modifizierte Reaktionzentren, in denen mit Hilfe chemischer und gen-technologischer Verfahren gezielte Veränderungen vorgenommen worden waren, erlaubte es, auch die in den Zwischenprodukten umgesetzte Energie zu bestimmen. So konnte nicht nur die Dynamik der Reaktionen, sondern auch der Fluss der Energie und die Optimierung des Photosyntheseapparates verstanden werden: In photosynthetischen Elektronentransfer erfolgen zu Beginn der Reaktionskette extrem schnelle Reaktionen, danach verlangsamt sich die Reaktionsgeschwindigkeit, wobei selbst die langsamsten Schritte noch im Mikrosekundenbereich ablaufen. Zu Beginn weisen die Reaktionen geringe Energieverluste auf, die späteren Produkte sind jedoch energetisch stark abgesenkt. Die photosynthetischen Ladungstrennungs-Reaktionen führen über ca. 2,5 nm, wobei 4 Elektronen Zwischenträger eingesetzt werden. Die Energiewandlung im Reaktionszentrum erfolgt mit der sehr hohen Quantenausbeute von ca. 97%
bei guter Energienutzung. Das Darwinsche Evolutionsprinzip hat offensichtlich die Photosynthese auf maximale Quantenausbeute hin ausgerichtet und dahingehend die Zahl der Elektronenträger und deren Umgebung optimiert: 1. Die ultraschnellen Reaktionen am Anfang der Elektronentransfer-Kette erlauben es, das Elektron sofort ausreichend weit von seinem Startpunkt zu entfernen, um damit den Verlust durch einen direkten Rückfall in den Ausgangszustand und so die Verschwendung der Lichtenergie in Wärme zu verhindern. 2. Die starke energetische Absenkung zu späten Zeiten hält das Elektron ausreichend lange am Chinon QB, damit es die anschließenden, langsameren chemischen Reaktionen auslösen kann und gleichzeitig den Verlust durch die thermische Rückbildung des Ausgangszustandes vermeidet. 3. Die Kombination von mindestens 4 Einzelreaktionen realisiert die effiziente und weite Ladungstrennung und erhält das Gesamtsystem auch bei Mutationen und widrigen Umgebungen funktionsfähig.
Mit Hilfe der physikalischen Untersuchungen des Reaktionszentrums wurde das Funktionsprinzip dieses wichtigen biologischen Energiewandlers aufgeklärt. Zusätzlich führen die Untersuchungen am Reaktionszentrum zu neuen Erkenntnissen über die zugrundeliegenden Elementarprozesse, wie z. B. die Elektronentransfer Reaktionen. Das photosynthetische Reaktionszentrum stellt ein Modellsystem für neuartige Experimente zum Elektronentransfer dar. Die Möglichkeit zur definierten und genauen Variation der Umgebung von Donor-Akzeptor-Paaren erlaubt eine bisher nicht erreichte Kontrolle der Reaktionsparameter. So konnte damit die Bedeutung spezieller Parameter der Elektronentransfer-Reaktion aufgezeigt werden, was zu einem neuen Verständnis der Funktion von Elektronentransfer-Systemen führte und technische Anwendungen des Elektronentransfers in molekularen Drähten und neue Designmöglichkeiten molekularer Schalter und Transistoren eröffnen wird. Das photosynthetische Reaktionszentrum ist nicht nur eine Bio-Solarzelle, die
Grundlagenforschung daran kann uns bis hin zum Biocomputer führen.
Die Bio-Solarzelle
Solarenergie- Nutzung in Halbleiter- Photodioden mit den biologischen Systemen der Photosynthese vergleicht. Das Bild (Abbildung 2) des räumlichen und energetische Flusses in biologischer und Halbleiter-Solarzellen zeigt die ähnlichkeiten ebenso wie die Vorteile des biologischen System: Wie im Reaktionszentrum ist die Lichtabsorption in der Halbleiter- Zelle mit einer lichtinduzierten Ladungstrennung verbunden. Während im biologischen System einzelne Moleküle in ihrer natürlichen Proteinumgebung den Energiefluss auf engstem Raum , d. h. auf der atomaren Längenskala von Nanometern steuern, werden in der Halbleiter-
Solarzelle extrem reine Festkörper- Materialien eingesetzt, in denen die Ladungstrennung auf der wesentlich gröberen Längenskala von Mikrometern erfolgt.
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Bild 2:
Die ersten Elektronentransfer-Reaktionen in photosynthetischen Reaktionzentren laufen unerwartet schnell in wenigen Pikosekunden (1 ps = 0.000 000 000 001 s) ab. Die hohe Reaktionsgeschwindigkeit ist die wichtigste Voraussetzung für die große Effizienz der Photosynthese. Die Diagramme der rechten Seite vergleichen die Elektronenbewegung und den Fluss der Energie in photosynthetischen Reaktionszentren und in Halbleiter-Photodioden
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In der technischen photovoltaischen Solarenergie-Nutzung ist die Halbleiter-Zelle makroskopisch mit lichtsammelnder Optik, Spannungswandler und dem energiespeichernden Akkumulator zu einem umfangreichen Gerät kombiniert, das während seiner technischen Lebensdauer weniger Nutzenergie abgibt, als für seine komplexe Herstellung eingesetzt werden mußte. Die Natur hat die entsprechenden photosynthetischen Einheiten als molekulare Maschinen auf der Nanometer Skala aufgebaut. Die Energiebilanz ist positiv und die photosynthetischen Einheiten werden von den Organismen aus elementaren Grundbausteinen (Nahrungsmitteln) selbst zusammengefügt.
An diesem Beispiel läßt sich die Bedeutung der Grundlagenforschung für zukünftige technische Entwicklungen aufzeigen: Das Wissen über Funktions- und Optimierungsprinzipien der Photosynthese wird es ermöglichen, biologische Einheiten so zu verändern, dass diese mit Hilfe der Photosynthese ein Produkt liefern, das vom Menschen als Rohstoff und Energieträger eingesetzt werden kann. Durch neuartiges Design einzelner Teile der biologischen Energiewandlungsmaschine sollte es möglich werden, verlustreiche Reaktionsschritte der natürlichen Photosynthese auszuschließen, und hin zur Produktion technisch bedeutender Verbindungen mit guter Energieausnutzung zu kommen. Für den Aufbau dieser System wird jedoch neben dem herkömmlichen Grundlagenwissen über die Funktionsweise der biologischen Maschinen auch ein Verständnis des Bauprinzips dieser Maschinen benötigt. Nur wer die Information besitzt, welche Abfolge von Proteinbausteinen eine gewünschte räumliche Struktur des Proteins erzeugt, und wie eine Proteinstruktur hin
auf eine gewünschte biologische, chemische oder physikalische Funktion zu konzipieren ist, der kann diese gezielte Form des "biological engineering" realisieren. Die Physik mit ihren hochmodernen Messtechniken und theoretischen Verfahren zur Beschreibung komplexer Systeme wird hier einen entscheidenden Beitrag leisten.
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