Maximum-Entropie Rekonstruktion der Akkretionsscheibe des Kataklysmischen Veränderlichen OY Carinae

A. Bobinger


Zusammenfassung

Kosmische Scheiben, insbesondere Akkretionsscheiben, kommen in der Natur häufig vor und spielen zum Beispiel bei der Entstehung von Planetensystemen eine grosse Rolle. Deshalb erhofft man sich durch Untersuchungsmethoden, die die innere Struktur solcher Scheiben aufdecken, eine tiefere Einsicht in dieses Naturphänomen.

Bedeckende kataklysmische Veränderliche bieten die Möglichkeit solche Akkretionsscheiben zu untersuchen. Interessiert ist man hierbei vor allem an der Struktur der Scheibe in Abhängigkeit von deren Aktivitätszustand. Somit können Scheibenmodelle, wie sie z.B. bei Protosternen und aktiven Galaxienkernen Anwendung finden, getestet werden. Das Problem des Drehimpulstransports bei der Entstehung von Sternen ist ohne Akkretionsscheiben ebensowenig zu erklären, wie beim Massentransfer in engen Doppelsternen. Ihnen kommt auch bei der Erklärung von Zwergnova- und Nova-Ausbrüchen eine essentielle Rolle zu. Obwohl Akkretionsscheiben für das Verständnis vieler astrophysikalischer Effekte eine überragende Rolle spielen, sind viele grundlegende Fragen ihrer Physik bisher nicht geklärt. So ist bis heute die Viskosität, die für den Drehimpulstransport in der Scheibe verantwortlich ist, nur sehr unzureichend verstanden.

Mit Hilfe der von Keith Horne (1985) entwickelten "eclipse-mapping" Methode, wurde die Akkretionsscheibe des kataklysmischen Veränderlichen OY Carianae in fünf Farben (U,B,V,R,I) rekonstruiert. Diese Methode stützt sich auf das 1978 von Gull & Daniell geschaffene "MEMSYS" Programmpaket, das die sogenannte Maximum-Entropie Rekonstruktion durchführt.

Dazu war es zunächst notwendig, die Systemparameter von OY Carinae zu bestimmen und mittels einer eigens dafür entwickelten Software die Lichtkurve des Systems in die einzelnen Beiträge des Heissen Flecks, des Weissen Zwergs und der Scheibe zu zerlegen. Als Systemparameter wurden für das Massenverhältnis q=0.09+-0.01, für den Inklinationswinkel i=83.5+-0.1 Grad und für die Bedeckungsdauer dt des Weissen Zwerges in Phaseneinheiten dt=0.0505+-0.0017 gefunden.

Mit Hilfe eines aus der rekonstruierten Akkretionsscheibe errechneten log(T)-log(R) Diagramms liess sich der radiale Temperaturverlauf in der Scheibe bestimmen. Es zeigt sich ein sehr flaches Temperaturprofil von etwa 4000 Kelvin. Mittels theoretischer Fits an die Datenpunkte in diesem Diagramm ergab sich eine Massentransferrate des Sekundärsterns von 2e-11 bis 9e-11 Sonnenmassen pro Jahr. Die hierbei zugrunde gelegte Entfernung von OY Carinae (82 Parsec) wurde von Wood & Horne 1989 abgeleitet.

Das in dieser Arbeit angewandte Verfahren stellt die bislang einzige Methode dar, die Massentransferrate des Sekundärsterns aus der Beobachtung eines CVs mittels Photometrie zu bestimmen. Dagegen gestaltet sich die rein theoretische Bestimmung der Massentransferrate äusserst schwierig.

Künftige Beobachtungen an grösseren Teleskopen lassen erhoffen, die Struktur von Akkretionsscheiben noch genauer untersuchen zu können. So könnte z.B. das viskose Verhalten der Scheibe entschlüsselt, oder der Mechanismus eines Zwergnova-Ausbruchs genauer geklärt werden.

Zeitraum:

Durchgeführt von September 1991 bis November 1992.

Literatur:

Bobinger,A., 1992: Maximum-Entropie Rekonstruktion der Akkretionsscheibe des Kataklysmischen Veränderlichen OY Carinae, Diplomarbeit an der Universitäts-Sternwarte München.


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mailto: Karl-Heinz Mantel
Last modified: Mon Nov 27 12:34:22 MEZ 2000