Doppler-Tomographie der Zwergnova EX Draconis

V. Joergens


Zusammenfassung

EX Draconis ist ein Doppelstern im Sternbild des Drachens in der Größenordnung unserer Sonne, der so weit entfernt ist, dass wir ihn bloßl;em Auge nicht erkennen können. Und obwohl der Winkelabstand der beiden Sternkomponenten im System selbst für teleskopische Auflösungen zu klein ist, können wir erstaunliche Phänomene beobachten, die keinen Zweifel daran lassen, dass es sich um zwei gravitativ gebundene Einzelsterne handelt: Verfolgt man das Sternsignal eine zeitlang im Teleskop, so beobachtet man, dass alle fü Stunden die Gesamthelligkeit stark abnimmt und nach einer halben Stunde wieder zu ihrem ursprünglichen Wert zurückkehrt.

EX Draconis kann aufgrund photometrischer und spektroskopischer Analysen zu den sog. Kataklysmischen Veränderlichen Sternen gezählt werden. Dies sind enge, kurzperiodische Doppelsternsysteme, bestehend aus einem Weißen Zwerg und einem späten Hauptreihenstern, in denen starke gravitative Wechselwirkungen zu einem Massentransfer vom roten Stern auf den Weißen Zwerg führen. Anstatt direkt auf die Oberfläche der Primärkomponente zu akkretieren, bildet das überströmende Material eine Scheibe, deren Leuchtkraft die Eigenleuchtkraft der beiden Sterne weit übertrifft. Da die Bahnebene von EX Dra so gegenüber unserer Sehlinie geneigt ist, dass wir fast auf ihren Rand blicken, bedeckt der rote Stern pro Umlauf einmal den Weißen Zwerg samt Akkretionsscheibe mit der Folge einer starken Abnahme der Gesamthelligkeit.

Akkretionsphänomene und damit verbundene Scheibenbildung sind in der Astrophysik sehr häufig, beispielsweise resultiert der Kollaps von Molekülwolken bei der Sternentstehung in der Ausbildung einer Akkretionsscheibe, die auch Ausgangsmaterial für Planetensysteme sein kann.

Bedeckende Ktaklysmische Veränderliche sind ideale Objekte, um Akkretionsmechanismen zu verstehen, denn sie zeigen Vorgänge, die sonst in Jahrmillionen ablaufen auf Zeitskalen von Wochen und Monaten. Sie gehören zu den wenigen astrophysikalischen Objekten, die eine Bestimmung von fundamentalen Parametern wie Radius, Masse und Temperatur zulassen. Die oft regelmäßigen Ausbrüche, die den Ktaklysmischen Veränderlichen ihren Namen gaben und Helligkeitszunahmen von bis zu einem Faktor 100 in wenigen Stunden oder Tagen zeigen, machen sie darüberhinasu auch für sich genommen zu faszinierenden Untersuchungsobjekten. Welche Prozesse finden in ihnen statt, die zu solchen wiederkehrenden "Katastrophen" führen, deren Zyklen gleichzeitig über bis zu 100 Jahre stabil sein können?

In dieser Arbeit werden optische Spektren der Zwergnova EX Dra (früherer Name: HS 1804+6753) vorgestellt, die am 3.5m Teleskop des Calar Alto Observatoriums in Spanien aufgenommen wurden und das System sowohl im Ruhezustand als auch im Ausbruch zeigen. Sie enthalten deutlich sichtbar Wasserstoff- und Heliumemissionslinien, die im Wesentlichen in der Akkretionsscheibe um den Weißen Zwerg entstehen, aber deren komplexe Profile auf Überlagerungen verschiedener Emissionsquellen hindeuten. Die Linien sind entsprechend den Radialgeschwindigkeiten der linienproduzierenden Regionen dopplerverbreitert und typisch für Akkretionsscheiben bei genügend groKßer Bahnneigung doppelt aufgespalten. Der enge Zusammenhang zwischen den beobachteten Spektrallinien und den Geschwindigkeiten im System kann in einer tomographischen Bildrekonstruktionsmethode dazu benutzt werden, die Entstehungsorte der Linien zu lokalisieren und den einzelnen Komponenten im Doppelsternsystem zuzuordnen. Dies ist das Ziel der vorliegenden Arbeit. Während bei der aus der Medizin bekannten tomographischen Analyse der Detektor um den menschlichen Körper rotiert, macht sich die Doppler-Tomographie die Tatsache zunutze, dass durch die Orbitalbewegung ständig neue Ansichten des Systems "von selbst" in Erscheinung treten, die sich in kontinuierlich veränderden Emissionslinienprofilen wiederspiegeln.

Zeitraum:

Durchgeführt von Mai 1997 bis Mai 1998.

Literatur:

Joergens,V., Mantel,K.H., Barwig,H., Fiedler,H., 1999:
``Reconstruction of emission sites in the dwarf nova EX Draconis'' [zipped PS-file 554500 bytes], Astron. Astrophys., (in press).

Joergens,V., 1998: Doppler-Tomographie der Zwergnova EX Draconis, Diplomarbeit an der Universitäts-Sternwarte München.


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mailto: Karl-Heinz Mantel
Last modified: Mon Nov 27 12:33:44 MEZ 2000