"Photoinduced molecular dynamics inincreasingly complex systems:
From ultrafast transient absorption spectroscopy to nanoscopic models" Uwe Megerle
Doktorarbeit am LS für BioMolekulare Optik, LMU München
Abstract: Lichtinduzierte Prozesse bilden ein stetig wachsendes, interdisziplinäres Forschungsfeld, das
sich von der Physik über die Chemie und Biologie bis in die Materialwissenschaften hinein
zieht. Die transiente Absorptionsspektroskopie hat sich in den letzten Jahrzehnten als ideales
Werkzeug herausgestellt, um die Grundlagen der Primär- und Folgeprozesse nach optischer
Anregung in Echtzeit zu beobachten und auf molekularer Ebene zu verstehen. Im Rahmen
der vorliegenden Arbeit wurde ein neuartiges transientes Absorptionsspektrometer mit Vielkanaldetektion
konzipiert und aufgebaut. Zusammen mit dem in Kalziumfluorid erzeugten
ultrabreiten Abfragespektrum von 290 – 750 nm und einem eigens entwickelten prismenbasierten
Polychromator bietet die gleichzeitige Detektion von über 500 Kanälen ein viel umfassenderes
Bild der nanoskopischen Prozesse als bisher. Bei einer spektralen Auflösung von
50 – 100 cm-1 und einer Zeitauflösung unter 50 fs konnte die Nachweisgrenze für Änderungen
der optischen Dichte zu Werten unterhalb von 10-4 OD verschoben werden.
Die spektroskopisch untersuchten molekularen Systeme beleuchten jeweils verschiedene
Facetten photoinduzierter Reaktionsmechanismen und weisen Möglichkeiten für ihre gezielte
Steuerung auf. Der fundamentale Prozess des intramolekularen Elektronentransfers wurde
in zwei kernsubstituierten Naphtalendiimiden untersucht, die je eine Arylaminogruppe sowie
ein gegenüberliegendes Chloratom bzw. eine Alkylaminogruppe als weiteren Kernsusbstituenten
aufweisen. Während die vollständige Ladungstrennung nach optischer Anregung in
beiden Molekülen ähnlich abläuft, findet die Rekombination bei zwei Aminosubstituenten
als Folge der größeren Energielücke zum Grundzustand sechsmal langsamer statt. Damit
lässt sich über die Kernsubstitution die Lebenszeit des ladungsgetrennten Zustands beeinflussen.
Das Wechselspiel zwischen intramolekularem Elektrontransfer und der Solvatation durch
polare Lösungsmittelmoleküle wurde anhand zweier donor-substituierter Triarylborane untersucht.
Dabei konnte gezeigt werden, dass die Anwesenheit von drei äquivalenten Donoreinheiten
in einem symmetrischen Molekül die energetische Relaxation des Gesamtsystems
um bis zu 90% gegenüber der Referenzsubstanz beschleunigt. Zusätzlich zur Umorientierung
der Lösungsmittelmoleküle gemäß der geänderten Ladungsverteilung im angeregten
Zustand kann hier auch eine intramolekulare Umverteilung der Anregung auf die drei Subchromophore
stattfinden. Das Dipolmoment wird dadurch mobil und kann auf die lokale Solvatationsschale
reagieren. Multichromophore mit mehreren aktiven Einheiten können demnach
benutzt werden um ladungsgetrennte Zustände schneller zu stabilisieren.
Eine noch stärker ausgeprägte Abhängigkeit der intramolekularen Ladungsverteilung von
der Solvatation wurde am Beispiel des Kristallviolettlactons gefunden. Auch hier führt die
optische Anregung direkt in einen ladungsgetrennten Zustand und löst eine Relaxation des
polaren Lösungsmittels aus. Dadurch wird ein zweiter, stärker polarer Zustand energetisch
abgesenkt. Seine Population wird direkt vom Solvatationsprozess kontrolliert, sowohl in der
Dynamik als auch im Ausmaß, da die Polarität des Lösungsmittels über die Zugänglichkeit
des zweiten ladungsgetrennten Zustandes entscheidet. Dies konnte durch vergleichende
Messungen in verschiedenen Lösungsmitteln quantitativ überprüft werden.
In flavinbasierten Systemen bleibt die Ladungsverteilung bei der optischen Anregung mit
sichtbarem Licht im Wesentlichen unverändert. Im angeregten Zustand ist Flavin allerdings
ein starkes Oxidationsmittel, das in der Natur und in künstlichen Systemen Elektrontransferreaktionen
antreibt. In DNA-Haarnadelstrukturen konnte so die Photooxidation nahe gelegener
Basenpaare erreicht und der nachfolgende intramolekulare Ladungstransport durch die
DNA untersucht werden. In Abhängigkeit von der Basensequenz wurden dabei langlebige
ladungsgetrennte Zustände mit Lebenszeiten über 1 ns und Ausbeuten bis zu 14 % nachgewiesen.
Die Bedeutung einer effizienten Ladungstrennung erschließt sich aus der Studie der flavinkatalysierten
Photooxidation von Benzylalkohol zu Benzaldehyd. Die spektroskopische
Aufklärung des Reaktionsmechanismus ergab, dass der intermolekulare Elektronentransfer
vom Alkohol zum Flavin im Singlettzustand durch die schnelle Rekombination in 50 ps einen
Verlustkanal darstellt. In ausreichend verdünnter Lösung ist die diffusive Annäherung
der Reaktionspartner langsamer als die Interkonversion des Flavins in den Triplettzustand.
Hier ist der Rückelektrontransfer spinverboten und findet auf der Mikrosekundenskala statt.
Die deutliche Lebenszeitverlängerung des ladungsgetrennten Zustandes ermöglicht einen
effizienten Protontransfer als produktive Folgereaktion hin zum Benzaldehyd. Aufgrund des
komplexen Reaktionsschemas ergibt sich für niedrige und hohe Substratkonzentrationen eine
sehr geringe Quantenausbeute, während für 25 mM das Optimum gefunden wird. Der genaue
Verlauf der Reaktionseffizienz konnte mithilfe eines selbst entwickelten LED-basierten
Aufbaus zur Messung absoluter Ausbeutewerte experimentell gezeigt und durch die quantitative
Analyse der nicht-exponentiellen Diffusionsdynamik auch präzise modelliert werden.
BMO authors (in alphabetic order): Uwe Megerle
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