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Instrument-Kontroll-Software für FoRS

K.-H. Mantel

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Inhalt

Einführung

Im Zeitraum zwischen Januar 1997 und Februar 2000 wurde die Instrument-Kontroll-Software für den Focal Reducer and Spectrograph (FoRS) entwickelt. Die Software wurde sowohl im Labor als auch unter realen Beobachtungsbedingungen am Teleskop auf dem Paranal in Chile getestet. Seit April 1999 wird die Software im normalen Beobachtermode eingesetzt. Der folgende Text gibt eine kurze Beschreibung des FoRS Projekts und der entwickelten Instrument-Kontroll-Software.

Das FoRS Projekt

Derzeit entsteht auf dem Cerro Paranal, einem 2635m hohen Berg in der chilenischen Atacama Wüste, das Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO). Es wird in seiner endgültigen Konfiguration aus vier Teleskopen mit je 8.2m Spiegeldurchmesser (und mehreren Hilfsteleskopen) bestehen und die größte sowie technologisch hervorragendste Teleskopanlage der Erde sein. Die vier Teleskope können unabhängig voneinander im Einzelbetrieb eingesetzt werden, oder aber auch zu einem Riesenteleskop (mit einem effektiven Spiegeldurchmesser von 16m) zusammengeschaltet werden.

Blick aus südöstlicher Richtung auf den Paranal, im Hintergrund der wolkenbedeckte Pazifik. Von links nach rechts die vier Teleskope ANTU, KUEYEN, MELIPAL und YEPUN (Die Namen stehen für "Sonne", "Mond", "Kreuz des Südens" und "Sirius" in der Sprache der Mapuche). Am linken Bildrand sieht man das Kontrollgebäude. Im vorderen Bildbereich sind Fundamente und Schienen zu sehen auf denen drei bewegliche Hilfsteleskope installiert werden. In der Bildmitte im Schattenwurf von ANTU liegt das Laborgebäude in dem das Licht bei Zusammenschalten der vier Teleskope gebündelt wird (Aufnahme am 8. Dezember 1999, Copyright ESO).

Erst geeignete Fokalinstrumente (z.B. Kameras, Spektrographen), die in den Brennpunkten der Teleskope montiert werden erlauben die Bestimmung der physikalischen Eigenschaften der zu untersuchenden kosmischen Objekte. Da diese Instrumente größer und effizienter als alle bisherigen Konstruktionen sein müssen, führt diese Anforderung an die Grenzen heutiger Präzissionsoptik, Feinmechanik, Elektronik und Regeltechnik.

Die ersten Instrumente für das ESO VLT wurden von Wissenschaftlern an der Landessternwarte Heidelberg und den Sternwarten der Georg-August-Universität Göttingen und der Ludwig-Maximilians-Universität München entwickelt. Es handelt sich dabei um zwei (nahezu identische) Vielzweckinstrumente mit der Bezeichnung FoRS1 und FoRS2 (Focal Reducer and Spectrograph). Sie erlauben die Untersuchung der lichtschwächsten und entferntesten Objekte im Universum und werden bei der Beantwortung der großen Fragestellungen der Astronomie (z.B. Dunkle Materie, Frühes Universum, Expansion des Kosmos, Schwarze Löcher, Enstehung von Planetensystemen) eine äußerst wichtige Rolle spielen. FoRS1 und FoRS2 sind das Ergebnis einer der aufwendigsten technologischen Studien, die je für ein Instrument der bodengebundenen Astronomie durchgeführt wurden.

Das hochmotivierte Team, bestehend aus Mechanik-Spezialisten, Optikern, Elektronikern, Softwareentwicklern und Astrophysikern, setzte sich 1990 mit seiner Projektstudie bei einer europaweiten Ausschreibung der ESO gegen starke Konkurrenz durch und hat das Projekt vor kurzem erfolgreich abgeschlossen. Die mit FoRS erhaltenen Bilder und Spektren gehen bereits um den Erdball und begeistern die internationale Fachwelt.

FoRS1 am VLT Teleskop Antu (Aufnahme am 26. November 1998, Copyright ESO).

FoRS2 am VLT Teleskop Kueyen, im Hintergrund ist durch die geöffneten Ventilationstore der beiden Teleskope FoRS1 am VLT Teleskop Antu zu sehen (Aufnahme am 17. November 1999, Copyright ESO).

Die Gesamtkosten des FoRS-Projekts beliefen sich auf über 20 Millionen DM und wurden vom Bundesforschungsministerium und der ESO etwa im Verhältnis 4:1 aufgebracht. Daneben ging eine substantielle Eigenbeteiligung der drei Institute in Form von Personalstellen sowie Labor- und Werkstattkapazitäten ein.

Weitere Informationen zum FoRS-Projekt finden sich auf der FoRS-Homepage der Universitäts-Sternwarte München (Publikationen, Dokumente, Bilder, Videos) und der ESO (Presseerklärungen, technische Details, Bilder, Videos, FoRS User Manual).

Aufbau der FoRS Software

Die Software zur Ansteuerung von FoRS läuft auf einer verteilten Rechnerarchitektur bestehend aus einer HP UNIX-Workstation, drei lokalen Mikroprozessor-Workstations (68k, PowerPC) und einer lokalen Mikroprozessor Sparc-Station. Die Mikroprozessor-Workstations laufen unter dem Echtzeitbetriebssystem VxWorks. Die Software besteht aus mehreren Schichten und baut auf der VLT Software auf, die allgemeine Dienste wie z.B. ein Message System, eine Echtzeit-Datenbank, ein Fehler und Logging System zur Verfügung stellt. Die folgende Übersicht zeigt den prinzipiellen Aufbau der FoRS-Software:

Aufbau der FoRS Software: Über das graphische User Interface wird die Observation Software angesprochen. Hier wird die Anforderung an eine Beobachtung umgesetzt in einzelne Kommandos an die Detektor- und Instrumenten-Kontroll-Software. Diese Kommandos werden dann an die einzelnen Kommando-Server weitergeschickt. Nicht dargestellt sind hier die Observation Support Software, die zur Vorbereitung von Beobachtungen dient, sowie die Maintenance Software, die zum Austausch von Komponenten und zur Kalibrierung des Instruments dient.

Instrument-Kontroll-Software

Die Instrument-Kontroll-Software (ICS) gliedert sich in einen Workstation Teil und drei verschiedene hardware-nahe Teile, die auf den einzelnen LCUs (Local Control Unit) laufen. Dabei übernimmt der in C++ geschriebene ICS-Server auf der Workstation die Koordination, Verteilung der Kommandos und die Überwachung des Instruments. Die Ansteuerung einzelner Antriebe (z.B. Filterräder, MOS-Spalte, Kameraoptik etc.) und Erfassung wichtiger Kenngrößen (z.B. Temperaturen, Schalterstellungen, Antriebspositionen etc.) wird von den in C geschriebenen Servern auf den einzelnen LCUs übernommen.

Die folgende Tabelle listet die Aufgaben im einzelnen, die durch die ICS ausgeführt werden:

  • Ansteuerung von 52 Antrieben (Gleichstrommotoren)

    Ein Grund für die hervorragende Qualität der FoRS-Daten liegt in der exzellenten Genauigkeit mit der die zahlreichen Antriebe von FoRS für Spaltarme, Masken, Filter, Grisms etc., positioniert werden können. Jeder Antrieb des Instruments wird durch einen PID-Regler kontrolliert, wodurch die hohe Genauigkeit erreicht wird. Die meisten der Antriebe können parallel bewegt werden.

  • Ansteuerung von 13 Lampen

    Zur Kalibrierung sind mehrere Spektral- und Flatfield-Lampen im Instrument installiert. Für jede dieser Lampen gibt es einen Kommando-Server, über den der aktuelle Status der Lampe (z.B. an/aus Status, Test auf zu hohe Temperatur, Ausfall) abgerufen, sowie die Lampe an oder aus geschaltet werden kann.

  • Überwachung von 19 Temperatursensoren

    Die Kontrolle der Temperatur ist eine sehr wichtige Aufgabe um die Freisetzung zusätzlicher Wärme am Teleskop zu vermeiden und um temperaturabhängige Antriebe (z.B. den Kamerafokus) zu kontrollieren. Deshalb werden Temperaturänderungen aller Temperatursensoren, die an verschiedenen Stellen im Instrument installiert sind, überwacht. Sobald der erlaubte Temperaturbereich überschritten wird, wird automatisch ein Alarm auf der Instrument Workstation erzeugt.

  • Überwachung von 9 Stromversorgungen

    Die Spannungen aller Stromversorgungen des Instruments werden durch die Instrument-Kontroll-Software überwacht. Ein Ausfall erzeugt automatisch einen Alarm auf der Instrument Workstation

  • Überwachung von 3 Kühlkreisläufen

    Um die Freisetzung von Wärme am Teleskop zu verhindern, werden die Elektronikgehäuse (einschließlich der LCUs) durch einen geschlossenen Wasserkreislauf auf die aktuelle Umgebungstemperatur gekühlt. Der Kühlkreislauf wie auch die Wassertemperatur in den Elektronikgehäusen werden überwacht. Bei Überschreiten der erlaubten Bandbreite wird automatisch ein Alarm auf der Instrument Workstation erzeugt.

  • Simulation aller Funktionen

    Jede Funktion des Instruments kann sowohl auf LCU-Ebene, als auch auf Workstationebene simuliert werden. Dies erleichtert einerseits den Test der Software, da somit auch Tests ohne angeschlossene Hardware durchgeführt werden können, darüber hinaus können damit aber auch Beobachtungsabläufe vor ihrer eigentlichen Ausführung auf Konsistenz und Durchführbarkeit getestet werden (z.B. zur Tageszeit). Somit kann vermieden werden, dass wertvolle Beobachtungszeit durch fehlerhafte Beobachtungsabläufe verloren geht.

  • Protokollierung aller Veränderungen im Instrument

    Jede Veränderung eines Antriebs, Schalterstellung etc. wird in einer allgemeinen Protokolldatei protokolliert. Darüber hinaus wird am Ende jeder einzelnen Belichtung der aktuelle Zustand des Instruments in eine eigene Datei geschrieben, die dann von der Observation Software zusammen mit den eigentlichen Daten im Archiv abgelegt wird. Damit kann auch nachträglich noch der genaue Zustand des Instruments zu irgendeinem Zeitpunkt rekonstruieren werden.

  • Die gesamte Instrument-Kontroll-Software wurde auf der Instrument Workstation in C++, auf den LCUs hingegen in C geschrieben. Es wurde der GNU C/C++ Compiler 'gcc' verwendet. Weitere Details über die Implementierung finden sich in der unten zitierten Literatur.

    Zeitdauer

    Januar 1997 bis Februar 2000

    Literatur

    Mantel,K.H., Meisl,W., 2000:
    ``FORS Instrument Control Software - LCU Part - User Manual (2.0)'' [zipped PS-file 686334 bytes], FORS Software Documentation, Part 3, VLT-MAN-13110-0106.

    Mantel,K.H., Meisl,W., 2000:
    ``FORS Instrument Control Software - LCU Part- Maintenance Manual (2.0)'' [zipped PS-file 851392 bytes], FORS Software Documentation, Part 6, VLT-MAN-13110-0109.

    Mantel,K.H., 2000:
    ``FORS Instrument Control Software - Workstation Part - User Manual (2.0)'' [zipped PS-file 227513 bytes], FORS Software Documentation, Part 2, VLT-MAN-13110-0105.

    Mantel,K.H., 2000:
    ``FORS Instrument Control Software - Workstation Part - Maintenance Manual (2.0)'' [zipped PS-file 157122 bytes], FORS Software Documentation, Part 5, VLT-MAN-13110-0108.

    Muschielok,B., Gaessler,W., Mantel,K.H., Meisl,W., Seifert,W., 2000:
    ``FORS Operating and Maintenance Manual (2.0)'' [zipped PS-file 496838 bytes], FORS Software Documentation, Part 7, VLT-MAN-13110-0103.

    Förderung

    Dieses Projekt wird unterstützt durch das Bundesministerium für Forschung und Technologie (Kennzeichen 052HD50A, 052GO20A and 052MU104).


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    mailto: Karl-Heinz Mantel
    Last modified: Mon Nov 27 11:59:27 MEZ 2000